Die Geschichte des Emslandes im Rahmen der allgemeinen deutschen Geschichte.
Von Studienrat A. Geppert, Meppen
Deine Geschichte soll ich schreiben, du kleines, unscheinbares Emsland, du Stiefkind unter den Landschaften des großen Vaterlandes? Ist's der Mühe wert, über dich zu berichten, wo du eine so winzige Rolle spielst im Getriebe der Welt und ihrer Geschehnisse!? Dich durchfährt schnell und hastig der Reisende, der bei Rheine die fruchtbare versunkene Kreidescholle der münsterländischen Tieflandsbucht hinter sich gelassen hat. Ohne eine sich regendes Naturgefühl durcheilt er dich, strebt über deine kahlen, öden Heiderücken hin nach Ostfriesland fetten Marschen und ist froh, dich bei Papenburg verlassen zu können. Hat je in dieser Eintönigkeit und Abgeschiedenheit Menschenlos und Menschenschicksal eine Rolle gespielt? Der oberflächliche Beobachter verneint diese Frage, der Geschichtskundige und Freund des Emslandes, worunter wir die Kreise Meppen, Aschendorf und Hümmling verstehen, bejaht sie, denn er kann nachweisen, daß alle bedeutsamen Ereignisse der allgemeinen Geschichte unseres großen Vaterlandes in unsere soeben festumzeichnete engere Heimat hineingespielt und merkbare Spuren hinterlassen hat.
Bereits die frühgeschichtliche Zeit, wo der Mensch mit Stein und Bein und Bronze arbeitete und kämpfte, Werte schuf und Lebensgüter verrichtete, hat zum Beispiel auf des Hümmlings Höhenrücken viele untrügliche Zeichen eingeprägt. Wir stoßen auf Hügelgräber und Flachgräber, durchschreiten Urnenfriedhöfe, finden Knochen und Asche unter Steinriesen und unter krauser Heide: alles Beweise, daß nach dem Rückzuge des nordischen Eises und der Beruhigung der Abschmelzwässer umfangreiche menschliche Siedlungen auf dem Hümmling stattgefunden haben, ehe man daran denken konnte, sich im Ems- und Hasetale häuslich niederzulassen. Wertvolle Aufschlüsse über die Lage und die Dichtigkeit dieser menschlichen Wohnstätten, über Leben und Sterben dieser ältesten Siedler des Emslandes gegen die zahlreichen Funde, die bisher von Privatpersonen gesammelt sind, und sorgsam und voll Ehrfurcht verwahrt werden. Eine künftige wissenschaftliche Bearbeitung dieser Gegenstände verspricht mannigfache Aufklärung dieser Spuren der vorgeschichtlichen Zeit des Emslandes.
Jahrhunderte vergehen, da erscheint im Emslande ein kaiserlicher Prinz des mächtigen römischen Weltreiches: Germanicus, Stiefsohn des Kaisers Augustus, unter dem Christus geboren ward. Was will der Römer im freien Lande freiheitsliebender Germanen? Sollen Romas goldene Adler horsten in Germaniens Wäldern? Ja, Rache nehmen will Prinz Germanicus, Rache an Hermann, dem Cheruskerfürsten, der im Jahre 9 nach Christi Geburt das römische Einbruchsheer des Quintilius Varus im Teutoburger Walde zusammengehauen hatte. Jetzt rückten die Römer nach einem großangelegten Feldzugsplane in drei Heeresgruppen gegen die Ems vor. Durch das Münsterland zieht von der Lippemündung aus General Caecina zur mittleren Ems. Ebendorthin führt Pedo, General der Kavallerie, seine berittenen Kollonnen von Holland her, und bei Borkum fahren römische Kriegs- und Lastschiffe in die Ems hinein. Da hallen die Wälder an den Ufern der Ems wieder vom schweren Tritt eisenbeschienter Legionäre, und vom Führerschiff der römischen Flotte weht über die erstaunten Wasser der Ems die Purpurfahne des kaiserlichen obersten Heerführers. Das war im Jahre 15 nach Christi Geburt. Die drei Führer trafen sich, und dann ging's emsaufwärts in den Teutoburger Wald, wo man die bleichen Gebeine der Kameraden vom Jahre 9 begrub. Nochmals vernahmen wir römische Kommandos an der Ems, als im Sommer des Jahres 16 Germanicus die Ems hinauffuhr und sich dann nach Osten zur Weser hin wandte, wo er seinen Feind stellte und seine Rache durch die Niederlage des verhaßten Arminius stillte. - Wo war der Treffpunkt der 3 Heeresgruppen im Jahre 15? Von welcher Stelle aus bog der römische Prinz im Jahre 16 von der Ems zur Weser ab? Müßige Fragen, schwer zu beantworten! Die römischen Funde, die hierzulande gemacht sind: in Lindloh 300 römische Silbermünzen, in Landegge und Wilholte je 3 Goldmünzen, bei Fullen mehrere Bronzefiguren, bei Tienen eine reizende Bronzestatue des Götterboten Mercurius, in der Tinner Dose einen alten Bohlenweg unter dem Moore, bei Herrenstätte römische Münzen, sie alle besagen nichts Sicheres über die Marschbewegung der römischen Truppen. Der Handel kann diese Gegenstände dorthin verschleppt haben. Begnügen wir uns mit der Tatsache, daß unser Emsland ein wichtiges Aufmarschgebiet für Romas Legionen auf ihrem Zuge nach der Weser gegen ihren ärgsten Feind, unseren gepriesenen Freiheitshelden Hermann gewesen ist.
Das Römerreich ist zusammengebrochen, ein ungeheuerer Zusammenbruch! Germanen haben's fertiggebracht, freilich erst nach 300jährigem Ansturm! Neue Völker gruppieren sich, an der Ems wohnen die Sachsen. Heiden sind's, trutzige überzeugte Wodansdiener. Finsternis herrschet neben den Nebelschwaden aus Moor und Bruch. Da leuchtet im Westen ein Licht auf: das Christentum! Weit strahlt es von der Missionsschule Uetrecht aus in unser Emsland und beleuchtet die Wege des hl. Ludgerus und des hl. Wibo. Dieser ward erster Bischof von Osnabrück, jener erster Bischof von Münster. Schwer ist ihre Arbeit, Sachsenschädel sind hart, das hatte vor ihnen schon Bonifatius erfahren, als er an den Ufern der Ems das Evangelium predigte. Staatliche Hilfe müssen sie in Anspruch nehmen: voll Glaubenseifer gewährt sie ihnen Karl der Große (768 - 814). Diese hochragende Herrschergestalt legt ins Emsland dorthin, wo Ems und Hase zusammenfließen, einen Mittelpunkt der Lehre Christi, indem er die kleine Abtei Meppen begründet (802), angelegt auf der Stelle, wo jetzt die Propstei steht. Diese Missionszelle wird die Keimzelle für die übrigen Stationen des neuen Glaubens. Von ihr aus zogen die Söhne des hl. Benediktus, die Benediktinermönche, bei Regen und Sonnenschein, in Wind und Wetter, bei Hitze und Hochwasser, zu Fuß und zu Pferde, über Land, bis die auswärtigen Stationen zu selbständigen Pfarreien erhoben wurden und Christi Kreuz in Aschendorf und Lathen, in Sögel und Werlte, in Bokeloh und Haselünne, in Wesuwe, Haren und Hesepe erstrahlte. Zwei für die Kulturgeschichte Deutschands hochbedeutsame Klöster Werden a. d. Ruhr, wo des hl. Ludgerus Leib der Ewigkeit entgegenschlummert, sowie Corvey a. d. Weser, wo die Gebeine des Märtyrerknaben Vitus ruhen, sorgten durch ihren Grundbesitz dafür, daß auch die äußeren Kulturgüter im Emslande Eingang fanden und unsere Heimat wirtschaftlich gehoben wurde. In Meppen Haren und Lathen, in Haselünne, Andrup und Lotten, in Sögel, Holte, Werlte und Werpeloh entstanden die Haupthöfe des corveyschen Grundbesitzes als Musterwirtschaften für das sächsiche Nordland.
Mit Karl dem Großen war ein neues Zeitalter aufgegangen: das Mittelalter. Seitdem er in feierlicher Christnachtmesse des Jahres 800 in der Basilika des hl. Petrus zu Rom mit goldener Kaiserkrone geschmückt worden war, huldigten die Völker des Abendlandes dem neuen Augustus, dem großen, friedebringenden Kaiser der Franken und Römer, und Papst und Kaiser sind die Herren der europäischen Welt. Farbenprächtige Bilder steigen vor uns auf: Wir sehen die kraftvollen Herrschergestalten eines Otto des Großen, eines Heinrich III. und IV., eines Friedrich Rotbart! Die Deutschen, "die Leute des Kaisers," haben den Vorrang in Europa. Sie ziehen nach Rom zur Kaiserkrönung, fahren über See nach Palästina und überfluten zu Tausenden die Lande östlich der Elbe, die bis zur Oder und Weichsel eingedeutscht werden. Es ist die Blütezeit des Rittertums, daneben stehen die mauerbewehrten deutschen Städte. - Wie verhält sich unsere Heimat zu diesem frischen Lebenszuge, der durch die deutsche Lande streicht? Hat er das bescheidene Emsland berührt und gestreift? O gewißlich, gepackt und ergriffen hat er auch unsere Gegend. Auch wir können berichten von Rittern und Knappen und Edeldamen und fröhlichem Halali auf der Reiherbeize in des Emslands zahlreichen Wäldern. Gepanzerte Ritter reiten durch unser Land, und Burgen entstehen hinter schützendem Wasser. Da erheben sich zum Schutze der alten Heeres- und Handelsstraße, die links der Ems von Münster nach Ostfriesland führte, u. a. die Wasserburgen Landegge (1178), Heede, die Scherpenborg und Burg Rhede. Zur Rechten der Ems taten Ritterdienste die ravensbergischen Dienstmannen auf der Fresenburg und auf Burg Haselünne. Ihrer aller Schicksal ist in der "Emsländischen Burgenfahrt," Verlag Wegener, Meppen, näher geschildert. Auf Landegge saßen u. a. die Ritter von Lankhals, die auch mit zum hl. Lande zogen, woher sie sich ihr Wappen: Hals und Kopf eines Kamels mit goldenem Halfterband holten. Die Herren von Scherpenborg ritten hinüber nach Ostelbien und halfen mit, im Lauenburgischen zu germanisieren, christianisieren und kultivieren. Angehörige des berühmten Geschlechtes derer von Plettenberg, die im Kampfe mit den Russen weithin in Kurland und Livland ihren Mann gestanden haben, saßen zeitweilig auf Osterwedde zwischen Campe und Steinbild a. d. Ems. Und als nach Verlust der hl. Stätten in Palästina die dort gegründeten Ritterorden ein neues Feld ihrer Tätigkeit suchten, da kamen auch ins Emsland einige Mitglieder vom Orden des hl. Johannes, und Elterwegen (1223) auf dem Hümmlinge und Klosterhalle (1378) bei Haselünne wurden Wirtschaftsgüter der Johanniter.
Die Kaiserherrlichkeit ist entschwunden. Konradin, der letzte Hohenstaufe, legt sein junges, schönes Haupt auf den Block und stirbt in Neapel fern der schwäbischen Heimat. Es begint für Deutschland die "kaiserlose, die schreckliche Zeit" (1250 - 1273). Unter ihr litt auch die verwitwete Gräfin des Emslandes, Frau Jutta Ravensberg-Vechta,, (die Frau von Mundelo). Heftiger Kampf durchtobte infolge des Zerwürfnisses der beiden Fürstenhäuser, der Welfen und der Hohenstaufen, ganz Deutschland und Italien. Der Kampfruf: "Hie Welf, hie Weibling" erschütterte auch unser Emsland, denn der Inhaber des Grafenamtes an der Ems und in Vechta, der Ravensberger, war staufisch gesinnt, während der Graf von Tecklenburg, der damals den Hümmling und Cloppenburg beherrschte, ein Anhänger der Welfen war. Als sich unserer Landesmutter duch die 2. Ehe mit dem Edlen Walram von Montjoic (in der Volkssprache des Emslandes v. Mundelo), die Aussicht bot, ihr kampferfülltes norddeutsches Land mit der schönen Eifel zu vertauschen, da verkaufte sie ihr Emsland und Südoldenburg an den Bischof von Münster im Jahre 1252.
Dieses Jahr 1252 bildet einen Merkstein in der Geschichte des Emslandes. Fünfhundertfünfzig Jahr lang (1252 - 1803) ist unsere Gegend eng mit dem Bistum Münster verbunden gewesen; dieses hieß fortan das Hochstift , auch Oberstift, jenes das Niederstift. Der Fürstbischof von Münster wir unser Landesvater, sein Stadthalter, der Drost, regiert das "Amt Meppen", wie die 3 Kreise Meppen, Aschendorf und Hümmling bezeichnet werden, zuerst von Landegee bzw. Fresenburg aus, später 1340 von der Burg Nienhus bei Aschendorf oder von der Burg in Meppen aus, zuletzt 1728 von Schloß Altenkamp bei Aschendorf. Eine schmale Landbrücke, rechter Hand die Grafschaft Lingen, zur Linken der Grafschaft Bentheim verband das Hochstift mit dem Niederstifte. Sie wird durch die 3 Kirchspiele Salzbergen, Emsbüren und Schepsdorf gebildet. Zum Schutz dieser schmalen Landbrücke legte der Bischof von Münster an einer Kirchfurt der Ems eine Burg an, das "Haus Herzfort", noch heute ein beliebtes Ziel für Wanderer, die das waldige Emstal zwischen Lingen und Hanekenfähr durchstreifen. Ihre Burgmannen, die Ritter von Langen, hatten einen schweren Stand gegen die Angriffe der Bentheimer und Tecklenburger, denen schließlich die Zerstörung der Burg gelang. Doch ruhte der Bischof wegen der Bedeutung dieser Stelle nicht eher, als bis er sei wieder aufgebaut hatte (um 1385). Überhaupt wurde es dem neuen Landesherrn nicht leicht, im Emslande festen Fuß zu fassen; der Hümmling war erst 1400 eng an die Münstersche Regierung gekettet. Unser Emsland bietet damals ein getreues, freilich häßliches Spiegelbild der unsicheren Rechtsvrhältnisse des ausgehenden Mittelalters seit dem Fehlen einer starken Reichsgewalt. Faustrecht, Fehderecht, Raubritter: Das sind die allgemeinen Zeichen der Zeit von 1250 bis 1500. Auch im Emslande? Zu Ehren unserer früheren, jetzt fast verschwundenen adeligen Geschlechter muß betont werden, daß sich der Adel hierzulande im allgemeinen von Raub und Gewalt fern gehalten hat. Den meisten war es gelungen, sich unter den veränderten Verhältnissen umzustellen und um ihren früheren Dienstsitz Rittergüter anzulegen. (Siehe Emsländische Burgenfahrt.) Um so ärger trieb es der Junker Stryck v. d. Bele. Er belästigte nicht nur die Bürger von Meppen und Haselünne auf den Straßen, sondern er ging mit seinen Spießgesellen sogar gegen die Städte selbst vor, zündete die vor den Toren liegenden Scheunen an, brach in die Städte ein und wütete hier mit Mord und Brand und Plünderung, bis er schließlich (1393) zum Frieden gezwungen wurde. Das Tollste erlaubte sich der Graf von Tecklenburg. Er zog mit seinen Raubgesellen ins Emsland und schlug die Hirten und schlug die Herde, und zum Himmel hinauf schrie nicht nur die unvernünftige Kreatur, sondern noch lauter das Herz der gequälten Emslandbauern, deren Hab und Gut schonungslos fortgeschleppt wurde. "Wettet here van Münster", "wisset Ihr Herren von Münster", so beginnt 1364 der Klagebrief des Drosten des Emslandes, "daß den Bürgern von Meppen genommen sind 105 Kühe und 500 Schafe, aus Nödeke, Schwefingen und Varloh 308 Kühe, den Haselünnern 92 Kühe und 80 Pferde, aus Lehrte und Bückelte 197 Kühe und 340 Schafe, aus dem Kirchspiel Holte 11 Kühe, 50 Schweine und 15 Pferde und aus Werlte und seinem Kirchspiele 94 Kühe, 93 Schafe, 300 fette Schweine und 33 Pferde." Fürwahr, eine erschütternde Sprache menschlichen Elendes im 14. Jahrhundert reden diese trockenen Ziffern des amtlichen Berichtes, den wir nur im Auszuge wiedergeben.
Des es wäre ungeschichtlich, wollten wir nur die Schattenseiten aus der 2. Hälfte des Mittelalters aufzählen. Auch Lichtpunkte gibt es zu erwähnen. Bürgerkraft und Bürgerstolz in den damals aufblühenden Städten sind ebenfalls Merkmale jener Zeiten. Ein vielseitiges Kulturleben entfaltet sich trotz Krieg und Fehde in den einzelnen geistlichen und weltlichen Ländern Deutschlands. Haselünne und Meppen werden durch Verleihung den Rechten aus der Hand ihrer bischöflichen Landesherren zu Städten, dieses Anna 1360, jenes bereits 1272. Mauern und Tore, Wälle und Gräben umgeben schützend die Stadt. Gehen wir hinaus nach Haselünne! Hochragend wie ein Bischofsdom wölbt sich die Decke der Pfarrkirche (1376) in kühnstem gotischen Stile über der andachterfüllten Menge. Auf hoher Freitreppe steigen wir am langgestreckten Marktplatze, der uns wie ein Turnierplatz der früheren Ritter der Burg Haselünne vorkommt, zum Rathause empor, das leider bei dem große Brand von 1849 mit dem gesamten Stadtarchiv ein Raub der Flammen wurde. Von Haselünne wandern wir nach Meppen; wir durchschreiten das Hasetor und gelangen halb zum Marktplatze, an dessen Südseite das Rathaus erbaut wird (1408). Aus Findlingsblöcken wird es aufgerichtet, etwas plump und schwerfälig, eckig und kantig, aber eine trefflichere Ausdrucksweise der Kraft und des Selbstbewußtseins des aufstrebenden Bürgertums konnte es nicht geben. Kaum ist es fertiggestellt, da beginnt man mit den Neubau der Pfarrkirche (1461). Aus Sandsteinquadern wird sie ausgeführt und verspricht eine 3 schiffige gotische Hallenkirche zu werden. Sie erhebt sich auf derselben Stelle, wo zur Zeit Karls des Großen die Abteikirche der Meppener Missionsstation stand. -
Einen lebhaften Güteraustausch zwischen dem Münsterland und Ostfriesland vermittelt die Ems, die "in hilfreichen Wellen dahinfloß", und Meppen und Haselünne sollten Mitglieder der Hansa gewesen sein, jener bedeutsamen Handelsgemeinschaft der deutschen Kaufleute, die 200 Jahre die Nord- und Ostsee beherrschten. Von Wohlstand und Volksvermehrung zeugen ferner die zahlreichen neuen bezw. Erweiterten Pfarrkirchen, die um diese Zeit in Aschendorf (1498), Bokeloh (1462), Rhede (1470), Heede (1484), Sögel (1482), Wesuwe (1509), Lathen (1531), Steinbild (1521) und Holte (1523) entstanden und sämtlich in dem hochstrebenden gotischen Baustile erbaut sind. Wahrlich, ein reges Streben im Kunst- und Erwerbsleben offenbart sich, wie in den anderen deutschen Landesteilen, so auch im Emslande. Die Neuzeit ist inzwischen hereingebrochen. Heftig platzen die Gegensätze der Konfessionen aufeinander. Ein großer Lärm entsteht um die Persönlichkeit Luthers. Alte und neue Kirche, katholisches und lutherisches Christentum ringen hart miteinander, auch im Emslande. Es siegt hier die neue Lehre, und 70 Jahre lang (1543-1614) ist das Emsland lutherisch: Adel, Bürger und Bauer. - Ein anderes Bild: Es regt sich die alte Kirche, verjüngt und neu gekräftigt durch das Konzil zu Trient und den Orden der Jesuiten; sie will den verlorenen Besitzstand zurückerobern, und auch in Meppen ziehen die Jesuitenpatres ein (1614). Sie werden vertrieben (unter Ernst von Mansfeld), sie kommen wieder (unter Tilly); sie werden des Landes verwiesen (unter den Schweden), sie kehren gegen Schluß des 30 jährigen Krieges zurück. Ihre Kirche und ihr Kloster, "die Residenz", werden der neue Mittelpunkt der katholischen Kirche im Emslande, ähnlich wie einstens unter Karl dem Großen das Benediktinerkloster in Meppen als königliche Missionszelle den Vorrang unter den Kirchen des Emslandes besaß. Von Meppen aus zogen die Patres auf die Dörfer, errichteten dort ihre Vikarien z.B. in Fresenburg und Aschendorf und gewannen die Einwohner zum alten Glauben zurück. Umgekehrt gingen die Jünglinge des Emslandes nach Meppen aufs Gymnasium, das die Jesuiten errichtet hatten (1652 als Vollanstalt), und erlernten hier die höhere Bildung, die so bitter not tat, denn Deutschlands Kultur war Tiefstand, entsetzlicher Tiefstand unter den Ein- und Nachwirkungen des 30 jährigen Krieges.
(Schluß im nächsten Kalender.)
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