Die Harener Emspünten.
Von Wilh. Lohmann, Haren
Mit Wehmut denkt manch greiser Mann, an die alte Zeit zurück, wenn er am Ufer der Ems steht, wo früher die Harener Pünten, mit vollen Segeln den freien Emsstrom stromaufwärts fuhren, von Ostfriesland hinauf bis nach Rheine und Greven, und die Hase hinauf bis Haselünne und Herzlake. Aber die Zeiten sind gewesen; nie wieder wird wohl im Emsland dieses schöne Heimatbild vor Augen geführt werde, denn der Dampf hat das Segel vertrieben, uns bleibt nur die Erinnerung an vergangene Tage.
Von jeher gestattete die niedrige Lage Harens nicht, dass viele Familien vom Ackerbau sich ernähren konnten, darum wurden Schiffahrt und Holzhandel Haupterwerbszweige. Die vielen schönen Wiesen südlich und nördlich von Haren waren früher Sümpfe, die durch Entwässerung und unter vieler Mühe in ertragreiche Wiesen umgeschaffen sind. Im 13. Jahrhundert noch erstreckten sich ungewöhnliche hohe Springfluten von der Nordsee bis hierher. Eine solche hohe Flut tötete im Jahre 1277 im Kloster Ter Apel sogar 70 Mönche. Und 10 Jahre später sollen noch mehr Personen ertrunken sein. So erklärt sich die Erscheinung, daß die unter den im Moore entdeckten Bäume (sogn. Kienholz) fast alle nach einer Richtung liegend aufgefunden sind. Dazu kommen die häufigen Überschwemmungen, nicht nur im Winter, sondern bisweilen auch im Sommer. Sehr hohe Winterfluten traten in den Jahren 1844 und 45 ein. Auf den hiesigen Straßen stand das Wasser so hoch, daß die Emspünten darauf fahren konnten. In den folgenden Jahren sind die Straßen und Häuser höher gelegt worden. In den jüngeren Jahren traten 1880 und 1918 hohe Winterfluten ein. Die Schiffahrt auf der Ems wurde im Mittelalter von Rhede und Landegge, später auch von Meppen aus betrieben. Oft aber war die Ems im Sommer nicht fahrbar. Die Ladungen wurden dann per Achse weiter befördert. Wann die Härener sich der Schiffahrt zuwandten, ist nicht genau zu ermitteln, sicher ist, daß sie dieselben vor mehr als 250 Jahren betrieben haben, denn am 24. Oktober 1662 wurden einige Schiffer aus Haren, die für den Fürstbischof Christioph Bernhard Roggen geladen hatten, nachts von 46 Soldaten aus der Burtange, die über Kloster Ter Apel mit brennenden Lunten und Feuergewehren nach Haren vordrangen, überfallen und getötet, angeblich weil sie den Zoll nicht bezahlt hatten. Die Soldaten hatten das Schlüsselloch der Kirche mit Holz verstopft. Nachdem die Kirche aber geöffnet und die Sturmglocke geläutet war, floh die Rotte. Das Püntenfahren durfte damals nur derjenige betreiben, der nach geleisteter Kaution zur Sicherheit der Ware vom Drosten eine Konzession gelöset hatte. Nach einem Befehle von 1638 durfte bei 100 Gulden Strafe nur ei Meppen ausgeladen werden. In Kriegszeiten wurden die Emspünten vielfach zur Fortschaffung von Kriegsbedarf benutzt, oft wurde die Freiheit im Verkehr gestört. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts wurde die Schiffahrt fast nur von den Härenern betrieben. Die größten Schiffe hatten aber kaum 15 Last (30 Tonnen Tragfähigkeit) und mußten dennoch stromaufwärts von 2 Pferden gezogen werden. Die kriegerische Zeit von 1795 - 1810 war für unsere Schiffe sehr günstig. Im Jahre 1809 konnten für eine Reise von Ostfriesland bis Meppen 600 bis 1200 Gulden verdient werden. Nachher wurde die Schiffahrt sehr erschwert durch die vielen französischen Zollaufseher, die an allen Fähren Wache hielten und überall die Schiffe nach Kontrebanden untersuchten. Damals besaß Haren aber kaum 20 Schiffe. Nach der Schiffbarmachung der Oberems vermehrte sich die Zahl der Schiffe mit jedem Jahre, sodaß Haren 1850 mehr als 80 Schiffe von 10 - 20 Last Tragfähigkeit besaß. Die Jahre von 1850 - 1856 waren für die Schiffer sehr gewinnbringend. Durch die im Jahre 1856 erfolgte Eröffnung der Hannoverschen Westbahn, jetzt westfälische Eisenbahn, erlitt die Emsschiffahrt jedoch einen herben Stoß, weshalb denn auch die Zahl der Schiffe in einigen Jahren fast auf die Hälfte sank. Da man die früheren Frachtsatze nicht mehr erreichen konnte, die Schiffe jedoch für Transporte von Steinen und Holz sehr gesucht wurden, lies man sie bis auf 25 - 30 Last vergrößern. 1856 besaß Haren ca. 50 -Emspünten und einige Küstenfahrzeuge von etwa 40 Last, die ihre Fahrten bis zu den Häfen der Nord- und Ostsee ausdehnten. Um sich gegen großen Schaden zu sichern errichteten die Püntschiffer im Jahre 1875 unter sich eine auf Gegenseitigkeit beruhende Schiffsversicherung "Amisia", welche heute noch besteht, denn um die Mitte der 70er Jahre wurde in einer Sturmnacht auf dem Sollart fast ein fünftel der ganzen Flotte vernichtet. Im Jahre 1898 fuhren die ersten Pünten mit Ladung von Ostfriesland nach Herne i. W., und somit war die Verbindung von der Ems mit dem rheinisch-westfälischen Kohlerevier hergestellt durch den Dortmund-Ems-Kanal. Da durch die Stauung der Wasser vor der Nadelwehre in der Ems der Tiefgang der Schiffe immer auf 2 Meter erfolgen konnte und die Reisen der Härener Pünten sich immer mehr ausdehnten, entschloß man sich, die Schiffe größer und stärker zu bauen. 1914 besaß Haren zirka 100 Schiffchen von 150 - 250 Tonnen, von denen ungefähr 20 Stück eisern waren, teils mit Segeln und Motor ausgerüstet, ihre Reisen sogar nach Schweden und Norwegen ausdehnten. Mit welcher großen Unerschrockenheit sich die Härener Püntschiffer ihrem Beruf gewidmet haben, geht daraus hervor, daß sie vor keiner Gefahr scheuten und selbst bei Hochwasser ihre Schiffe nebst Ladungen an den Bestimmungsort brachten, und daß sie schon vor 40 Jahren mit ihren kleinen offenen Fahrzeugen die ostfriesischen Inseln nebst der holländischen Küste befuhren, ja sogar die südamerikanischen Gewässer wurden von einer Härener Pünte aufgesucht. Denn die im Jahre 1889/90 in Haren erbaute Spitzpünte "Helene" (220 Tonnen groß, Kapt. Herm. Kiepe) segelte im Jahre 1893 mit einer Ladung von Hamburg nach Rio Grande de Sul (Süd Amerika) und kehrte erst 1904 von da zurück, wo sie volle 11 Jahre an der südamerikanischen Küste gefahren hatte; viermal durchsegelte sei den Ozean, - eine Härener Pünte! |