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Die Elektrizität im Emslande.

Von Kreis=Elektro=Ingenieur J ä e g e r, Meppen.

Eine Quelle kulturellen und wirtschaftlichen Fortschritts!
Vor wenigen Jahrzehnten noch war elektrisches Licht ein Vorrecht der Städter und nur wenige weitschauende Männer ahnten damals die hohe Bedeutung des elektrischen Stromes für die Gesamtheit der Menschen. Zwar hatte Werner Siemens schon in den 60 er Jahren des vorigen Jahrhunderts nach der Entdeckung seines "elektro=dynamischen Prinzips" diese Bedeutung erkannt, wenn er sagt: "Der Technik sind gegenwärtig die Mittel gegeben elektrische Ströme von unbegrenzter Stärke auf billige und bequeme Weise überall da zu erzeugen, wo Arbeitskraft disponibel ist." Doch beschränkte sich auch in der Folgezeit die Stromversorgung trotz der sich überstürzenden Verbesserungen und Neuerungen in der Elektrizitätserzeugung hauptsächlich auf die Städte und solche Orte, die Arbeitskraft, vor allem Kohle, billig zur Verfügung hatten. An die Versorgung des platten Landes ging man noch in den Vorkriegsjahren nur zögernd heran.
Erst die Möglichkeit, den elektrischen Strom in hochgespanntem Zustande fast verlustlos über weite Länderstrecken fortzuleiten ließ die Ueberlandversorgung rentabel gestalten. Die Kriegs= und Nachkriegsjahre brachten hierin einen ungeahnten Aufschwung. Leitung schloß sich an Leitung und heute überspannen sie als dichtmaschiges Netz auf Holz, - Eisen - und Betonmasten die Lande. In dünnen Kupferdrähten fließt der elektrische Strom bis in die einsamsten Winkel der Bergtäler, bringt Licht, Wärme und Kraft dem Bauern auf endloser Heide. Als echter Freund der Menschheit fragt er nicht nach Namen und Stand des Einzelnen, erhellt vielmehr den Salon des Reichen so gut, wie die Kammer des Armen.
Nur das Emsland blieb bislang ausgeschlossen aus der allgemeinen Stromversorgung und stand als "berühmter weißer Fleck" in der Elektrizitätskarte Deutschlands wohl einzig da. Kein Unternehmen wagte es, die enormen Kosten aufzubringen, die für den Ausbau eines so wenig bevölkerten und wirtschaftlich schwachen Gebietes nötig sind. Das Land selbst ist hierzu ebenfalls nicht in der Lage. Erst langwierige Verhandlungen, Concurrenz, Kampf, allerlei glückliche Umstände und auch Entgegenkommen der in Frage stehenden Elektrizitätsgesellschaften ermöglichten es, die Stromversorgund der Emskreise durch Anschluß an Ueberlandzentralen, von welcher Seite es auch immer sei, sicher zu stellen, sodaß in absehbarer Zeit auch der entlegenste Eingesessene des Emslandes sich alle Errungenschaften, Annehmlichkeiten und Vorteile der Versorgung mit elektrischer Energie zu eigen machen kann.
Was bedeutet nun der elektrische Strom für den Emsländer, insonderheit für den Emsländischen Bauern?
Weitab von den brandenden Wogen des Verkehrs träumen stille Moor= und Heidedörfer. Ihre Bewohner ringen mit eisernem Fleiße gegen die Unbilden der Witterung dem dürftigen Boden ihren Lebensunterhalt ab. In dieser Abgeschlossenheit hat sich der emsländische Bauerncharakter herausgebildet. Verschlossen und wortkarg zeigt sich der Eingesessene, zähhängend am Althergebrachten, wie es sich vererbt hat von Vater zu Sohn seit unvordenklichen Zeiten. Da kann es nicht Wunder nehmen, wenn er Neuerungen glatt abweist, ihnen zum mindesten mißtrauisch gegenüber steht. Und doch ist es gerade für den Landwirt des Emslandes in heutiger Zeit nicht zu umgehen, seinen Betrieb mit allen erreichbaren modernen Errungenschaften der Technik wirtschaftlich auszugestalten, um auf der Höhe zu bleiben im eigenen Interesse sowohl wie im Interesse des Volksganzen. Was Meliorationsbestrebungen, Saatzucht=Institute und dergleichen in der Ertragsfähigkeit des Bodens zu erreichen suchen, das muß er zu Hause auswerten können, um den Erfolg auf die Spitze zu treiben. Hierzu gibt ihm die Elektrizität Mittel in staunenswerter Fülle an die Hand. Hat sich doch die Elektrowirtschaft in den letzten Jahren hauptsächlich mit der Hebung der Verwendungsmöglichkeit des elektrischen Stromes in der Landwirtschaft beschäftigt. Namhafte Firmen haben auf eigenen Gütern und in Kleinwirtschaften ausgedehnte Versuche in dieser Hinsicht angestellt und volle Erfolge gezeitigt.
Da ist vor allem die elektrische Beleuchtung zu nennen. Kein Mensch möchte sie heute mehr missen schon ihrer Annehmlichkeit wegen. Doch ganz abgesehen davon bietet sie vor allem für das Emsländische Bauernhaus mit seinem Holzfachwerk und Strohdach eine Feuer= und Betriebssicherheit, die von keiner anderen Beleuchtungsart erreicht wird. Sie gestattet bei Dunkelheit oder trübem Wetter jederzeit ein Arbeiten in feuergefährlichen Räumen, wie Scheinen, Ställen, Speichern und Vorratskammern, wo jede andere Lampe oder Laterne durch Um= oder Herunterfallen leicht Anlaß zu Feuersbrunst gibt. Sachgemäß installierte landwirtschaftliche Gebäude werden auch von den Versicherungsgesellschaften als feuersicher betrachtet und haben meisten eine Ermäßigung der Versicherungsprämie im Gefolge. Obendrein ist die elektrische Beleuchtung auch ganz bedeutend billiger, was ein Verglich mit der im Emslande noch vorherrschenden Petroleumbeleuchtung ergibt.
Doch nicht die Beleuchtung allen macht dem einsichtigen Landwirte den Anschluß an die Ueberlandzentrale wünschenswert. Was er in der Hauptsache schätzt, ist die Belieferung mit Kraftstrom.
Ist an sich schon eine eigene Kraftanlage, sei es Benzinmotor, Dampf= oder Sauggasanlage für den landwirtschaftlichen Klien= oder Mittelbetrieb immer unbequem und unrentabel, so ist sie dies in noch erhöhtem Maße für die Verhältnisse des Emslandes mit seinen durchwegs mangelhaften Verkehrsverhältnissen. Sie zwingen den Motorbesitzer den Betriebsstoff auf schlechten, teilweise miserablen Wegen von der fernen Bahnstation herbeizuholen, Fracht und Verpackung in Kauf zu nehmen, ganz abgesehen von der Unzuverläßigkeit dieser Maschinen, die, sollen sie einigermaßen gut arbeiten, ein immerhin geschultes Personal und dauernde Beaufsichtigung während des Betriebes verlangen. Reparaturkosten und - Unannehmlichkeiten fallen dabei für das Emsland besonders schwer ins Gewicht.
Diese Nachteile vermeidet alle der Elektromotor und bietet außerdem gegenüber anderen mechanischen Antriebsmitteln noch ganz bedeutende Vorteile, die sich kurz zusammenfassen lassen in:
1. Einfache Konstruktion,
2. Niedriger Anschaffungspreis,
3. Geringer Raumbedarf,
4. Einfache Bedienung,
5. Geringe Wartung,
6. Ständige und sofortige Betriebsbereitschaft,
7. Große Betriebssicherheit,
8. Möglichkeit der Verwendung eines Motors für volle und auch 1/3 Antriebsleistung mit etwa in gleichem Verhältnis herabgemindertem Stromverbrauch.
9. Sicherheit gegen Feuersgefahr.
Die Vorzüge 1-7 sind heute allgemein so bekannt, daß über sie an dieser Stelle nicht näher berichtet zu werden braucht.
Dagegen ist besonders hervorzuhebesn, daß durch Schaltung des Drehstrommotors in Dreieck oder Stern mit Hilfe eines eigens zu diesem Zwecke angeordnetem Umschalters eine wirtschaftliche Ausnutzung des Motors für volle Last und auch etwa 1/3 Last möglich ist. Man kann den Motor z.B. zum Dreschen für volle Last verwenden und mit ihm zu anderer Zeit kleinere Arbeitsmaschinen mit etwa nur 1/3 des Kraftbedarfs der Dreschmaschine antreiben, wofür dann auch nur etwa 1/3 des Stromes gebraucht wird.
Andere Arten mechanischer Antriebsmaschinen wie z.B. Benzinmotoren, brauchen bei 1/3 Belastung fast die gleiche Brennstoffmenge wie be voller Belastung und unterscheiden sich auch hierin sehr zu ihrem Nachteil gegenüber dem Elektromotor. Auch die im Emslande zahlreich vorhandenen Göpel wird der Elektromotor rasch verdrängen, weiß doch der umsichtige Landwirt die Ersparnis und Schonung seiner Tierkräfte wohl zu schätzen.
Licht, und Kraft, die beiden Hauptwirkungen des elektrischen Stromes, erschöpfen noch lange nicht die Verwendungsmöglichkeiten der Elektrizität in Landwirtschaft und Gewerbe. Wenn auch infolge des emsländischen Torfreichtums und der billigen Beschaffung dieses Feuermaterials in absehbarer Zeit elektrisches Heizen hier nicht in Frage kommt, so bieten sich doch der Möglichkeiten so viele den Strom in Haushalt und Betrieb zu verwenden, daß jeder , der erst einmal seinen Anschluß richtig ausnutzt, kaum mehr glauben mag, daß er früher ohne Elektrizität überhaupt wirtschaften konnte.
Die Hausfrau wird das Kohlebügeleisen in die Ecke stellen und nur mehr elektrisch bügeln, eine Kochplatte oder der Tauchsieder erspart ihr das Feueranlegen, wenn schnell eine Speise oder die Milch für das Kleinste warm gemacht werden soll. Im Kleinstmotor treibt ihr der Strom die Nähmaschine, Milchzentrifuge oder das Butterfaß. Zur Steigerung des Milchertrages seines Viehes wird der vorwärtsstrebende Landwirt das elektrische Grünfutter=Konservierungsverfahren anwenden. Kurzum die Elektrizität wird sich als höchste Dienerin der Menschheit überall unentbehrlich machen und für di verschiedensten Zwecke in Haus, Hof, Garten, Küche, Feld, auf der Straße, in Stadt und Land, in gewerblichen Betrieben und Werkstätten die mannigfaltisten Arbeiten verrichten.
Glücklicherweise braucht nun auch das Emsland in der Elektrizitätsversorgung nicht mehr zurückzustehen.
Augenblicklich ist man bereits in allen Kreisen dabei die Ueberlandleitungen hinaus zu bauen in die nähere und weitere Umgebung. Belebend wirken sie auf das düstere Landschaftsbild, in schnurgerader Flucht ziehen sie über die Heide, verbinden die einzelnen Ortschaften und schon ist der Gedanke aufgetaucht entlang der Leitungen bequeme Fußpfade anzulegen, die ein Verirren in der verschneiten Heide oder bei Nacht unmöglich machen. So wird in jeder Weise die elektrische Erschließung des Emslandes diesem und seinen Eingesessenen nur zum Segen gereichen.
Außer diesen Vorteilen erhält speziell der Kreis Meppen eine besondere Bedeutung durch und für die Elektrifizierung des Emslandes in einer Stromerzeugungsanlage. Im Herzen des Kreises ersteht ein neues Werk, das Kraftwerk Hakengraben bei Rühle, das Heseper Torfwerk, das einen wichtigen Rückhalt in der Stromversorgung des ganzen Landes bilden wird. Dazu ist es volkswirtschaftlich ein schätzenswerter Faktor für den Kreis, da es die beste Lösung für die Aufschließung der ungeheuren Moorflächen im Westen bedeutet, indem es die im Torfe steckende Energie in elektrische Arbeit umsetzt und dem Lande zur Verfügung stellt.