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2. Der erste holländische Krieg 1665 - 1666

Es war bereits Ende September, der Herbst kündigte sich durch starke Regengüsse an, als die Bischöflichen die Grenze überschritten. Im Norden hatte der Generalwachtmeister Gorgas, ein Schotte, seine Abteilung um Meppen vereinigt (5000 Mann zu Fuß und 2000 Reiter. Die Geschütze wurden auf Pünten bis Heede gefahren). Er hatte die Aufgabe, die Festung Burtange, von wo aus das Emsland seit Jahren bedroht und belästigt war, zu nehmen und dann ins Groningerland einzufallen. Von den Dörfern Walchum, Dersum und Heede aus wurden auf die Grenze zu Dämme gelegt, auf denen die einzelnen Abteilungen übers Moor geführt werden sollten, um die Festung im weiten Bogen über Sellingen - Jipsinghuizen im Süden und Westen zu umschließen.
Währenddes rückte die Hauptarmee von Gronau aus ins feindliche Gebiet ein (23. Sept.), und in kurzer Zeit waren sämtliche Hauptpunkte jenseits der Grenze, wie Borkelo, Lochum und Diepenheim, Enschede, Oldenzaal und Ootmarsum, sowie Almelo in der Hand des Bischofs. Der Weg zur Ijssel war offen! Weiter rückten die Bischöflichen nach Nordwesten bis Ommen an der Vechte. Hier aber wurde ihrem Vorrücken durch die Macht der Elemente ein Halt geboten. Die Truppen litten sehr unter dem fortdauernden Regenwetter, die Wege waren aufgeweicht, das Gelände war zum Teil sumpfig, der Winter nahte, so dass die Stellung bei Ommen an der Vechte unhaltbar wurde. Man beschloß daher im Kriegsrate, den Hauptstoß nach Norden zu verlegen und vor allem Burtange zu Fall zu bringen. Fiel diese Moorfestung, dann standen für den Winter 1665/66 die Provinzen Friesland und Groningen als begehrte Quartiergebiete zu Gebote. Unter dieser Erwägung wurde das Hauptheer geteilt: der General d'Ossery, wie Gorgas ein Schotte, marschierte quer durch die Niederlande ins Groningerland, wo er sich in Winschoten, Westerwolde und Wedde festlegte und weitere Befehle seines bischöfl. Herrn abwartete (Okt. 1665). Dieser selbst zog über Ootmarsum durch das Bentheimische an die Ems und errichtete in Meppen auf der Paulsburg sein Hauptquartier. Er wollte sich mit General Gorgas, der noch immer ohne Fortschritte vor der Festung Burtange lag, vereinigen.
Die Belagerung der Festung Groningen durch Chr. B. von Galen.

Die Rückeroberung der Festung Coevorden durch R. Rabenhaupt.
Hier um die Bortange herum sah es für die Münsterschen schlimm genug aus. Anhaltendes Regenwetter hatte die Umgebung dieser Moorfestung unter Wasser gesetzt, so dass man nicht an sie herankommen konnte. Auch die Versuche des Generals Gorgas, jenseits des Moores im Rücken der Festung Fuß zu fassen, waren gescheitert. Eines Tages waren die Bischöflichen über den Morast bis nach Jipsinghuizen vorgedrungen und mehrere tausend Mann Verstärkung wurden noch erwartet. Als die Holländer hiervon Meldung bekamen, gingen sie sofort zum Angriff vor und trieben die Münsterschen nach hartem Gefechte (5. Okt.) über den Damm zurück, den sie von Dersum nach Sellingen hin zu legen angefangen hatten. Nach einigen Tagen (12. Okt.) ging der tapfere holländische Leutnant Rierop sogar zum Angriff auf den Moordamm vor. Er brach mit einem Brandkommando von 100 Musketiers morgens ½ 3 Uhr auf und kam gegen Tagesanbruch an die Münstersche Kante des Moores. Der Überfall auf die Brückenwache, die fröstelnd beim Feuer saß, gelang. Sofort ließ er von den Holzteilen des Dammes 11 Feuerstellen anlegen, und nun verzehrten die Flammen in ungefähr 4 Stunden die ganze Moorbrücke "zum großen Dienst des Landes, worob der Leutnant hohen Ortes sehr belobt und wohl traktieret wurde, die Mannschaft aber mit 2 Tonnen Bier Victoria trank." Zum Unglück für die Bischöflichen ging ihnen auch im Süden die Stellung bei Ter Apel verloren. Diese militärischen Misserfolge um die Burtange wirkten sich für das Korps d'Offery, das in Winschoten lag, fast unheilvoll aus. Hier herrschte Mangel an Brot und Salz, und als Folge brachen Krankheiten aus, so dass die Mannschaften wider die Offiziere murrten und täglich viele zum Feinde überliefen. Als auch 1000 Pferde aus Mangel an Futter unbrauchbar geworden waren, musste General d'Offery die Gegend verlassen. Aber wohn? Nach Osten, nach Ostfriesland hinein, konnte er nicht entweichen, weil der Feind auf Rat des französischen Gesandten im Haag die Pässe dahin rechtzeitig besetzt hatte. Nach Süden hatte er noch Bewegungsfreiheit: er marschierte daher von Winschoten über Wedde südwärts. Aber den Rückzug an die Ems über Ter Apel - Haren konnte er infolge der Besetzung Ter Apels nicht mehr gewinnen. Den Weg über das Moor versperrten die feindlichen Besatzung der Burtange sowie das Moor selbst. Dieses war durch die im Oktober und November täglich zunehmenden Wassermengen noch weniger gangbar geworden: überall traten grundlos Kolke und Kuhlen auf. Die Besorgnis des Bischofs stieg aufs Höchste. Wie sollte und konnte er seinem jenseits des Moores stehenden General die rettende Hand über den Morast reichen? Gab es keinen Ausweg, kein Mittel? Anscheinend nicht, doch Christoph Bernhard von Galen war nicht der Mann, der verzagte! In dieser höchsten Not befahl der Bischof, dass zwischen dem Dorfe Heede und dem an der anderen Kante des Moores gelegenen früheren Kloster Ter Apel Quer übers Moor eine Brücke, ein Damm gelegt werden sollte. "Inter Heedam pagum Emslandiae et Apeliam er adversa ripa" heißt es in der lateinischen Lebensbeschreibung des Bischofs durch seinen Generalvikar von Alpen vom Jahre 1694. Also nicht von Heede nach Ter Apel, wie bisher diese Stelle missverstanden wurde, sondern auf dem Zwischenraume, der im Norden durch die Linie Heede, im Süden durch die Linie Ter Apel bestimmt war, sollte dort, wo das Moor nicht breiter als 1 ½ deutsche Meilen war, der Übergang für das Korps d'Ossery geschaffen werden. Mit größter Beschleunigung arbeiteten Soldaten und aufgebotene Bauern linksemsischer Dörfer an dem Werke: General d'Ossery von der holländischen Seite, General Gorgas von der deutschen Kante aus. Reisigbündel, Buschwerk ("Busken"), Weidengeflecht wurden herbeigeschafft. Ohne dass es der Feind hindern konnte, wurden auf holländischem Boden die Häuser niedergerissen, und Bauhölzer, Balken und Bretter und Latten, und was sonst in der Nähe irgendwie an Holz vorhanden war, alles wurde herbeigeschleppt. Es wurde auch höchste Zeit, denn von Süden her, von Belgien, war ein französisches Heer im Anzuge. Aber je enger sich der Kreis um General d'Ossery zog, desto unverdrossener arbeitete man an dem Moordamm weiter. Ungeheuere Massen von Erde, Heideplaggen und Sand wurden ins Moor geschüttet. Äste und Zweige, ja ganze Bäume wurden daraufgeworfen, während Balken und Stackpfähle am Rande des Dammes hineingetrieben wurden. Die Bauern der in der Nähe liegenden Dörfer Walchum und Dersum mussten ihre großen Haustüren (die sog. Falltüren) abliefern, da sie als oberste Lage der Moorbrücke Verwendung finden Sollten. Noch lange nachher wurde auf Guhlmanns Hof in Walchum (jetzt Kampker) eine solche Falltüre mit den Eindrücken der Pferdehufe gezeigt. Mit Spannung soll der Bischof von der "Bischofstafel" aus, einer schwachen Bodenerhebung an der Südspitze des jetzigen Neudersum, die leider einer Kiefernanpflanzung zum Opfer gefallen ist (!), mit seinem Stabe der Fertigstellung des rettenden Dammes wiederholt zugeschaut haben, bis eines Tages eine feindliche Kugel geflogen kam, die ihm den Breinapf aus seiner Feldküche aus der Hand schlug. Wie dem auch sei, es wuchs das gewaltige Werk tatsächlich aus dem Moorboden heraus, so dass das 3 Stunden breite Moor für Mensch und Pferde gangbar wurde, und Ende November zogen die Truppen, die von Sumpf und Wasser umschlossen, nach menschlichem Ermessen niemals dem Verderben entrinnen konnten, zum allgemeinen Erstaunen über den Moordamm ins Emsland zurück: an der Spitze marschierte die Infanterie, dann folgte das Gepäck nebst 1000 friesischen Ochsen als Kriegsbeute, und den Schluß machten die Reiter. So ward das Korps d'Ossery gerettet.
Wo war nun dieser Damm, auf dem der bischöfliche General übers Moor zog? Mehrfach hat man danach gesucht, von holländischen und deutschen Kommissionen, immer jedoch nach unserer Überzeugung in verkehrtem Sinne. Man grub und stach und suchte nach einem regelrechten Zimmerwerke im Moore und verkannte dabei, dass diese Moorbrücke nicht mit ruhiger militärischer Vorbereitung wie die anderen Dämme um die Burtange herum, sondern mit höchster Beschleunigung gelegt war, wie wir's an der Hand einer der besten zeitgenössischen Quellen geschildert haben. Auch ist zu begreifen, dass nach der infolge des Winters sofort eingetretenen Waffenruhe die holländischen und auch die deutschen Bauern sich schleunigst ihre Türen und Fensterrahmen und Balken und Bretter u.s.w. zurückgeholt haben, um sich wieder häuslich einzurichten. Eine Besichtigung des Geländes dürfte den "Bischofsdamm" wieder entdeckt haben.
Deutlich sichtbar ragt über die weite Moor- und Heidefläche der Hasselberg. Bis nach Walchum - Nordfelde, bis nach dem Esch von Dersum, bis an den Südrand von Neudersum leuchtet seine helle Sandkuppe über die braune Heide. Und neben ihm heben sich klar und scharf vom Horizonte ab der Kirchturm und die Mühle von Sellingen im Holländischen. Das ist ein in die Augen springender strategischer Richtungspunkt, der sich dem Bischofe wie von selbst anbot: Von Sellingen aus, wo d'Ossery stand, auf den Hasselberg zu, und von Walchum (?) oder von Dersum (?) aus, wo Gorgas lagerte, ebendorthin, da ist der rettende Damm zu legen! Hier kommt uns nun die Volksüberlieferung zu Hülfe. Tatsächlich wird der "Schwartenweg", der von der Südecke von Walchum - Nordfelde ins schwarze Moor in Richtung Hasselberg führt, von alten Leuten der "Bischofsdamm" genannt, und die Holländer, die am Hasselberg wohnen, kennen ebenfalls diese Bezeichnung für diesen Weg. Hier also fand jener berühmte Übergang statt! Es wäre zu begrüßen, wenn auch von deutscher Seite diese Benennung wieder eingeführt würde. Auf unsere Frage, was denn den Bischof von Münster veranlasst habe, hier in dieser Gegend einen Damm ins Moor zu legen und mit den Holländern zu kämpfen, gab der alte Schulte von Walchum die von der mündlichen Überlieferung getragene treffliche Antwort: "Ja, de was in ollen Tiden Käünik." Er war damals unser Landesherr, wollte der Schulte sagen. Neben dem Namen "Bischofsdamm" wird in älteren Schriften auch der Name "Gorgas-Dyk" gebraucht, so genannt nach dem General Gorgas, der diesseits des Moores stand. Diese Bezeichnung scheint völlig vergessen zu sein. Für diesbezügliche Mitteilungen wäre der Schreiber dieser Zeilen sehr dankbar.
Nach der glücklichen Errettung der bischöflichen Heeresabteilung auf emsländischen Boden hörten die Ereignisse im Felde infolge der Jahreszeit mehr und mehr auf. Das bischöfliche Hauptquartier wurde von Meppen nach Coesfeld gelegt, und die Truppen bezogen die Winterquartiere. Streifzüge der Bischöflichen von Meppen über Haren - Ter Apel bis nach dem holländischen Emmen und ähnliche Streifen übergehen wir. Die Lage wurde für den Bischof ungünstig, da die von England versprochenen Hilfsgelder nicht in der abgemachten Höhe einliefen. Als sie schließlich gänzlich ausfielen, konnte Christoph Bernhard den zahlreichen geworbenen Truppen den Sold nicht mehr zahlen, was für den friedlichen Bürger böse Folgen haben konnte. Das machte den Bischof zum Frieden geneigt, den zu vermitteln sich bereits mehrere Fürsten, wie der Große Kurfürst von Brandenburg, bemüht hatten. So kam es dann am 118. April 1666 zum Frieden von Kleve. Man gab sich gegenseitig die Eroberungen zurück, jedoch sollte die Herrschaft Borkelo bei Holland verbleiben. "Mein Borkelo, das mir von Gottes und von Rechts wegen zukommt", rief Christoph Bernhard von Galen enttäuscht aus. Doch versprach er die baldige Räumung von Amt und Stadt Borkelo.